Was ist Waldbaden - Shinrin Yoku
Infos, Erfahrungen, Einschätzungen und eine Bitte
Waldbaden, Shinrin Yoku und Co.
Zur Zeit kann man in vielen schönen Artikeln Informationen über einer Methode erfahren, die man in der Natur, genauer im Wald, erleben und für das eigene Wohlbefinden nutzen kann - über das Waldbaden. Im Novemberheft kam das Thema zum Beispiel auch auf das Titelblatt der recht beliebten Zeitschrift „Natur & Heilen“. Und im Internet kann man immer mehr Angebote lesen zum Waldbaden und auch zu Weiterbildungen dazu. Die Beliebtheit des Begriffes hängt wohl auch damit zusammen, dass man mit Waldbaden eine ordentliche Portion Wellness assoziiert, was gerne motivieren darf. - Ich freue mich darüber, dass dadurch die Natur und speziell der Wald noch mehr in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit der Menschen gelangt und dazu animiert, nach draußen vor die Tür und in die schöne Natur zu gehen.
Da ich während Seminaren aufgrund meiner langjährigen Erfahrung im Begleiten von Menschen in und mit Hilfe der Natur öfters gefragt werde, was denn Waldbaden sei oder nicht, erlaube ich mir, meine Einschätzungen und Erfahrungen hier zusammen zu fassen. Damit möchte ich meine Freude über das Verstärken des Themas „Mensch und Natur“ zum Ausdruck bringen, aus meiner Sicht auf den Punkt informieren und aber auch zur Vorsicht aufrufen.
Was ist Waldbaden, wo kommt es her?
Waldbaden kommt aus Japan und wird dort seit 1982 „Shinrin Yoku“ genannt. Die Wortbedeutung wird analog zu Sonnenbaden oder Bad im Meer verwendet und meint das genussvolle Erleben der Atmosphäre des Waldes mit allen Sinnen. Das Schriftzeichen dafür enthält 3 Zeichen, die „Wald“, „Gehölz“ und „fließendes Wasser mit Tal“ bedeuten.
Da immer mehr Menschen in Japan das Waldbaden praktizieren und auch immer mehr wissenschaftliche Studien ihre Wirkung bestätigen, ist es mittlerweile dort auch als präventiv-medizinische Methode anerkannt. Die Naturtherapie - mit dem Waldbaden als einer zentralen Methode - verfolgt dort das Ziel, bei den Menschen den Stresspegel zu senken, Entspannung zu fördern, individuelles Wohlbefinden zu steigern und somit die Lebensqualität der Menschen zu verbessern.
Professor Yoshifumi Miyazaki (als einer der weltweit führenden Forscher auf dem Gebiet) nennt in seinem empfehlenswerten Buch „Shinrin Yoku - Heilsames Waldbaden - Die japanische Therapie für innere Ruhe, erholsamen Schlaf und ein Starkes Immunsystem“ (München, Irisiana Verlag, 1. Auflage 2018) bereits im Untertitel einige der Vorteile von Waldbadesitzungen, die eigentlich Waldbadestrecken heißen müssten, da man dabei häufiger auch langsam geht. Wer sich genauer für die Forschungsergebnisse zur Waldtherapie interessiert, kann dort im Detail z.B. die gemessenen positiven Auswirkungen auf Blutdruck, Adrenalin- und Cortisol-Konzentrationen (beides Stressindikatoren) bei unterschiedlichen Personengruppen nachlesen.
Was wird beim Waldbaden gemacht, welche Varianten gibt es?
Die Antwort darauf ist nicht eindeutig, da es nicht einen festen Ablauf gibt, sondern eine Vielzahl von praktizierten Varianten. Grundsätzlich gibt es die ursprüngliche einfache Variante, bei der eine Person alleine ohne professionelle Begleitung (z.B. eines Waldtherapeuten oder Natur-Coachs) für ca. 2-8 Stunden in einem Wald spazieren geht und sich an schönen Plätzen aufhält, mit den oben genannten positiven Effekten von Stressreduzierung und Entspannung (und nebenbei vielen anderen) beim angenehmen Erleben der Natur mit allen Sinnen. Daneben gibt es unterschiedliche Varianten von begleitetem Waldbaden. Dabei leitet z.B. ein erfahrener Natur-Coach, Natur-Therapeut oder Wald-Therapeut einen Zeitabschnitt an, gibt dabei wichtige Hinweise für ein besonders intuitives Erleben und begleitet die Person/ mehrere Personen in dieser Zeit, um bei besonders eindrücklichen Erfahrungen oder dem Erkennen von persönlichen Themen mit professionellen Methoden zur Seite zu stehen und zu unterstützen. Während der Waldbaden-Sequenz moderiert der Coach/ Therapeut/ Therapeutin ggf. dann auch Gesprächsrunden, in denen der/ die Teilnehmer auf freiwilliger Basis von ihren Erlebnissen berichten können. Am Ende des Waldbadens sorgt er/ sie in einer Runde für eine achtsame und freudige Umrahmung und für einen guten Übergang der Teilnehmer ggf. mit Impulsen für den Alltag.
Nicht immer wird die Veranstaltung auch Waldbaden genannt, schließlich ist der Begriff hier bei uns in Deutschland erst seit Kürzerem bekannt. Seit mehr als einem Jahrzehnt begleite ich bei meinen Natur-Coachings Menschen z.B. in dieser, ähnlicher und anderer Art und Weise, ohne dass es so hieße. Begleitetes Waldbaden kann als nur eine von vielen Methoden verstanden werden, die im Rahmen von Naturcoachings oder Naturtherapien genutzt werden. Die Methodik ist somit nicht neu, nur der Name.
Wo ist Vorsicht geboten? - Meine Bitte um verantwortungsvollen Umgang!
Und nun zu meiner kritischen Anmerkung, die sich auf begleitetes Waldbaden bezieht und speziell auf die Qualifikation der Begleiter. Aus meiner langjährigen Erfahrung in der Arbeit mit Menschen in der Natur weiß ich, dass die Bandbreite und vor allem auch die Tiefe der möglichen Erlebnisse sehr groß ist. Vom einfachen „frische Luft atmen und schöne Plätze genießen“ bis hin zum „plötzlichen, erstmaligen Auftauchen/ Erkennen von sehr persönlichen Themen, langjährigen Problematiken oder gar traumatischen Belastungen“. Dabei ist die Grenze des Erlebbaren fließend und kann von vorneherein kaum gesteuert werden. Wie tiefgreifend emotional es wird, entsteht erst beim Aufenthalt im Wald, intuitiv und häufig unerwartet.
Deshalb sehe ich es sehr kritisch, wenn sich mittlerweile Naturverbundene Menschen einfach Waldbademeister nennen, um dann Waldbaden anzubieten. Oder auch, wenn in kurzen Seminaren von wenigen Tagen oder einer Woche in größeren Gruppen (in denen deshalb ausreichendes praktisches Können nicht erworben werden kann) sogenannte „Kursleiter für Waldbaden“ ausgebildet werden, die keinerlei Vorkenntnisse benötigen, und die danach befähigt sein sollen, andere Menschen beim Waldbaden in der Natur achtsam, erfahren, letztlich professionell zu begleiten und auch mit emotional schwierigen Situationen umgehen zu können. - Nicht nur moralisch sondern auch rechtlich ist jeder professionelle Begleiter/ Begleiterin für Leib und Leben und somit auch für den emotionalen Zustand seiner Teilnehmer verantwortlich und hat dafür professionell Sorge zu tragen. Ein Haftungsausschluss („auf eigenes Risiko“ oder so ähnlich) ist hierbei übrigens nicht möglich (nachdem ich viel in einen Fachanwalt investiert habe, kann ich das sicher sagen). Er/ sie sollte erfahren sein im Umgang mit besonders intensiven, tiefgehenden Situationen, um dabei nicht nur emotional auffangend und unterstützend zu sein sondern auch kompetent, um die sich dabei ergebenden Chancen mit dem jeweiligen Menschen gemeinsam zu nutzen z.B. für mehr Klarheit oder Erleichterung für sein persönliches Thema. Wenn diese Kompetenzen nicht vorhanden ist, kann es immer wieder zu Situationen kommen, in denen der Kursleiter/ die Kursleiterin überfordert ist und sich die Teilnehmer schlecht begleitet oder gar mit ihren Emotionen alleine gelassen fühlen. - Was natürlich unbedingt zu vermeiden ist im Interesse aller Beteiligten - Kursleiter/ Kursleiterin, Teilnehmer, Angehörige.
Begleitetes Waldbaden kann somit aus meiner Sicht definitiv nicht abgegrenzt werden zu tiefer gehendem Natur-Coaching oder Natur-Therapie. Auch Professor Miyazaki als weltweit führender Experte nennt das Waldbaden als eine zentrale Methode im Rahmen von Waldtherapieprogrammen. Entsprechend sollte jemand, der Waldbaden begleitet, über eine ausreichende Qualifikation verfügen, die er z. B. in einer fundierten und praxisorientierten Ausbildung zum Natur-Coach oder zum Wald- oder Natur-Therapeuten erwerben kann - Ich schließe mit dem Wunsch, dass alle verantwortungsvoll mit den Möglichkeiten umgehen mögen, die das Waldbaden als eine von vielen Methoden im Arbeitsraum Natur eröffnet.
Mit herzlichen Grüßen aus dem Spessart, Carsten Gans.